2015 wurde in Deutschland erstmals ein großtechnischer Prüfstand für komplette Gondeln von Windenergieanlagen in Betrieb genommen. Das Dynamic Nacelle Testing Laboratory (DyNaLab) bietet allen Anlagenherstellern ein realitätsnahes Testumfeld im Multimegawattbereich für aussagefähige Labortests, die zur Beurteilung und Optimierung von bestehenden und künftigen Anlagenkonzepten beitragen können. Mit dem DyNaLab lassen sich Feldversuche unter realitätsnahen Bedingungen im Labor nachbilden. setzt neue Maßstäbe für die Prüfung von Windenergieanlagen: Mit einer Antriebsleistung von 10 MW und der Einleitung eines nominellen Drehmoments von 8.600 kNm werden einmalige Prüfleistungen zur Prototypen-Validierung angeboten.
Durch die Netz- sowie die Hardware in the loop [HiL]-Windlastsimulationen können unterschiedliche Belastungs-szenarien unter reproduzierbaren Bedingungen erstellt werden und das Verhalten einer WEA bei Szenarien wie Multidips im Netz bei Sturm, Netzkurzschluss bei fehlerhafter Pitchregelung oder Notstopps getestet werden. Neben der Zertifizierung im Feld soll das DyNaLab damit die Möglichkeit bieten, die bislang langwierigen Zertifizierungen durch den Einsatz auf dem Prüfstand stark zu verkürzen, da im DyNaLab unterschiedliche Betriebsfälle beliebig oft angefahren werden können.
Auf diese Weise lassen sich zudem die Betriebsführung und die Regelung optimieren sowie Modellvalidierungen durchführen. Die Zuverlässigkeit und die Verfügbarkeit der Anlage können hierdurch gesteigert und gleichzeitig Wartungs- und Reparaturkosten gesenkt werden.

Nachbildung realer Windlasten

Das Winddrehmoment wird über zwei fremderregte Synchronmaschinen in Tandemanordnung mit einer Antriebsleistung von jeweils 5 MW nachgebildet. Dadurch stehen für den Testbetrieb 10 MW Antriebsleistung zur Verfügung. Das ermöglicht die Einleitung eines Nenndrehmoments von 8.600 kNm in den Prüfling. Der gesamte Antriebsstrang des Prüfstands ist um einen Winkel von 5° geneigt angeordnet. Dies entspricht der tatsäch-lichen Lage einer Windenergieanlage im Feld und stellt somit die reale Belastungssituation dar. Das Motordrehmoment wird über eine neuartige Lenkerkupplung auf den Prüfling übertragen.
Die Nachbildung von mechanischen Windlasten wie Schub- oder Biegemomente erfolgt über eine hydraulische Krafteinleitung. Die lasteinleitende Struktur ist über ein Momentenlager mit dem Flanschadapter verbunden. Die Momente und Kräfte können somit von der nicht rotierenden Lastscheibe auf die drehende Welle übertragen werden. Mit dieser einmaligen Konfiguration können Biegemomente von ca. 20 MNm und Schub in der Größen-ordnung von 2 MN aufgebracht werden. Darüber hinaus lassen sich auch radiale Lasten dynamisch nachbilden. Die Krafteinleitung erweitert den Gondelprüfstand um fünf zusätzliche Freiheitsgrade.
Im DyNaLab lassen sich mithilfe eines Antriebsmotors und der hydraulischen Krafteinleitung die Wechselwirkungen zwischen Gondel und Rotor mit Rotorblättern realistisch nachbilden. Die Windlastsimulation kann hierbei sowohl aus dem Nachbilden von unterschiedlichen statischen und dynamischen Betriebszuständen bestehen, als auch aus der Echtzeitsimulation. Um die WEA möglichst umfassend zu testen, sollen sowohl das Pitch- als auch das Yaw-System in die Anlagenprüfung integriert werden. Hierfür werden die Stellgrößen der einzelnen Systeme über Aktuatoren in der Echtzeitsimulation implementiert.

Simulation verschiedener Netzzustände

Ein weiterer Fokus liegt auf der elektrischen Netznachbildung sowie der daraus resultierenden Möglichkeit der elektrischen Zertifizierung einer Gondel am Prüfstand. Für diesen Zweck wird am DyNaLab die weltweit umfangreichste Netznachbildung installiert. Hier können statische Tests durchgeführt werden, um z.B. die Wirk- und Blindleistungsabgaben bei unterschiedlichen Netzzuständen oder das thermische Verhalten von elektronischen Komponenten zu untersuchen. Zudem können transiente Ereignisse im Netz simuliert werden, die auf das Gesamtsystem Gondel zurückwirken. Hierfür lassen sich am Prüfstand dynamische Low-Voltage-Ride-Through (LVRT)- und High-Voltage-Ride-Through (HVRT)- Ereignisse entsprechend der jeweiligen Grid Codes nachbilden. Für diese Tests steht eine Umrichterleistung von umgerechnet 40 MVA zur Verfügung. Im DyNaLab lassen sich zudem das Oberschwingungsverhalten und die Netzrückwirkungen der Gondel ermitteln.

Hardware “in the loop”

Aufgrund des fehlenden Rotors und des Turms besitzt die Gondel am Prüfstand andere Systemeigenschaften als im Feld. Zur Nachbildung der realen Bedingungen im Labor werden die auftretenden Lasten und Wechselwirkungen zwischen Gondel und Rotor berechnet und eingeprägt. Es werden die benötigten Echtzeitmodelle der WEA und entsprechende Regelungsalgorithmen entwickelt sowie die benötigten Hardwarekomponenten spezifiziert, um den Prüfstand inklusive Prüfling im Hardware-in-the-Loop-Verfahren (HiL) zu betreiben.

TECHNICAL DATA

Key data DyNaLab
  • Investitionsvolumen: ca. 35 Mio. Euro
  • Krafteinleitung: dynamische Aufbringung von 20 MNm Biegemoment, ± 2 MN Schubkräfte
  • nominelles Drehmoment: 8,6 MNm
  • Überlastdrehmoment: 13 MNm
  • Antriebsleistung: 10 (15) MW
  • künstliches Netz: mit 44 MVA installierter Umrichterleistung
  • Messungen: mehr als 600 synchrone, hochauflösende Messkanäle

CONTACT

Prof. Dr.-Ing. Jan Wenske
Turbine and System Technology, Fraunhofer IWES
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